Skip to main content

DGAW-Pressemitteilung: Die Zukunft des KrWG - Ist der aktuelle Rechtsrahmen bereit für die wirtschaftliche Transformation?

Pressemitteilungen

Die DGAW diskutiert über „Die Zukunft des KrWG“ - Fachveranstaltung im Rahmen der DGAW-Mitgliederversammlung am 16.06.23

Welche Chancen liegen in der Transformation von einem linearen zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell? Ist der bestehende gesetzliche Rahmen bereit für diese tiefgreifenden Veränderungen oder verhindert das Abfallrecht die Verwirklichung einer ganzheitlichen Kreislaufwirtschaft? Diesen Fragen widmete sich die DGAW-Fachveranstaltung über „Die Zukunft des KrWG“ im Anschluss an die Mitgliederversammlung am 16.06.2023 in einer intensiven Diskussion von 50 Teilnehmern mit Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Im einführenden Vortrag erläuterte Dr. Alexander Gosten (DGAW-Vorstandssprecher) die Position der DGAW: „Ziel der Kreislaufwirtschaft muss die Substitution von Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe sein. Die Kreislaufwirtschaft muss Industriestandard erreichen, neue Geschäftsmodelle und Anreizsysteme für Sekundärrohstoffe müssen entwickelt werden. Nur die Reststoffe, die nicht im Kreislauf geführt werden können, sind schadlos zu verwerten.“ Hemmnisse werden in den Bereichen der Normung, des Produktrechtes (REACH), dem Vergaberecht und der Ausgestaltung des KrWG gesehen, Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden. Der erforderliche Rechtsrahmen muss sowohl auf Bundes- als auch auf EU-Ebene zeitnah hergestellt werden.

Prof. Dr. Kathrin Greiff (RWTH Aachen, Lehrstuhl für Anthropogene Stoffkreisläufe) legte in ihrem Vortrag „Nachhaltigkeitsbetrachtung der Kreislaufwirtschaft – Status quo und Perspektiven“ den Schwerpunkt auf die konkret zu definierenden Anforderungen an eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und an deren Messbarkeit. Sie wies zunächst darauf hin, dass in die Definition des Begriffes Ressourcenpotential über die gängige Gleichsetzung mit dem Rohstoffpotential hinaus auch die Betrachtung der natürlichen Ressourcen einzubeziehen ist.

Die Nachhaltigkeitsziele Klimaschutz und Biodiversität, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit sind aus ihrer Sicht nur durch die zweifache Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs, sowohl von den Auswirkungen auf die Lebensqualität, als auch auf den Naturverbrauch möglich. Effizienz, Konsistenz, Suffizienz sind die zentralen Begriffe. Produkte, Materialien und Ressourcen müssen so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden, um eine nachhaltige, ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige Wirtschaft zu erreichen und Abfälle zu minimieren. Voraussetzung ist die Schmälerung des Ressourceneinsatzes, die Verlängerung von Produktlebenszyklen und die Schließung von Kreisläufen, wobei dem Repurpose, also der Verlangsamung, ein erhebliches Potential zukommt, den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.

Wie kann Klima- und Biodiversitätsschutz messbar gemacht werden? Wie werden die Potenziale berücksichtigt, die in den Vorketten liegen? Wie werden die Ziele Versorgungssicherheit sowie Klima- und Biodiversität zueinander gewichtet und definiert? Ein wesentlicher Schritt muss in die Entwicklung von Indikatoren, wie z.B. Lebenszyklusanalysen (LCA), Materialflussanalysen und statistischen Erfassungsmethoden erfolgen, die heutigen Indikatoren sind bei weitem nicht ausreichend. LCA sind als Methode gut nutzbar, bieten aber keine absolute Messbarkeit, so dass die Herausforderung in der Entwicklung von Definitionen, Datenbasen und Referenzsystemen liegt. Der erforderliche Ausbau der Digitalisierung muss dabei in Abstimmung mit dem Daten- und Patentschutz erfolgen.

„Die ökologischen Grenzen bilden die Grenzen der Gesellschaft. Die Handlungsfelder der Nachhaltigkeitsstrategien müssen sich stärker an den Zielsetzungen Klima- und Biodiversität bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit ausrichten“, so das Fazit von Prof. Greiff.

Im Anschluss stellte Prof. Dr. Gerhard Rettenberger (Hochschule Trier) die Ziele der „Akademie der Kreislaufwirtschaft“ vor, die im Februar 23 ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Akademie ist organisatorisch bei der DGAW angesiedelt, arbeitet aber unabhängig. Zurzeit sind 13 Mitglieder des Beirates des DGAW-Wissenschaftskongresses in der Akademie vertreten. Zielsetzung der Akademie ist es, wissenschaftsbasierte Empfehlungen für eine resiliente und leistungsfähige Abfall- und Kreislaufwirtschaft zu erarbeiten und in die Fachdiskussion einzubringen. Pro Jahr wird jeweils ein Themenschwerpunkt behandelt.

Die Zukunft des KrWG aus Sicht der Industrie schilderte Dr. Johannes Kirchhoff (Managing Partner KIRCHHOFF Group, CEO KIRCHHOFF Ecotec, Vorstandsvorsitzender der BDI- Inititative Circular Economy). Die BDI-Initiative CE sieht vier zentrale Aktionsfelder in der Kreislaufwirtschaft:

  • Beitrag der Kreislaufwirtschaft zur Rohstoffversorgung
  • Kreislaufwirtschaft als systemischer Faktor beim Klimaschutz
  • Produktdesign als Anker
  • Digitalisierung und zirkuläre Geschäftsmodelle

Zentrale Säulen der CE sind das auf die Kreislauffähigkeit ausgerichtete Produktdesign, die Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie für die Produktions- und Verwertungsprozesse und die auf die Existenz eines Kreislaufgedankens ausgerichteten Geschäftsmodelle. Der erforderliche Rechtsrahmen, Normung und Standardisierung sind unter Beteiligung der Unternehmen zeitnah umzusetzen. Die Digitalisierung ist neben der Dekarbonisierung die zweite große Transformationsaufgabe der Kreislaufwirtschaft und kann auf allen Stufen dazu beitragen, Potenziale zu heben, Kreislaufwirtschaft in Unternehmensprozesse zu integrieren und dabei wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Politik muss evidenzbasierte Regeln setzen. Dabei ist es zentral, dass der Wettbewerb gefördert und auf wissenschaftlicher Grundlage gute pragmatische Lösung technologieoffen entwickelt werden. Kreislaufwirtschaftsrecht muss stärkerer Teil des Produkt-, und Stoffrechts wie des Umweltrechts sein. Es muss Teil der nationalen und europäischen Rohstoffstrategie sein.

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Abfallrahmenrichtlinie setzen nicht die richtigen Schwerpunkte für eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft.Die Entwicklung der Rechtsakte ist historisch nachvollziehbar, aber die Ausrichtung aller Regeln an der Abfalleigenschaft mit den beschriebenen administrativen Folgen wird nicht dazu führen, dass wir in das richtige Kreislaufdenken kommen. Kohärente Schnittstellen von Abfall- und Produktecht werden erforderlich sein. REACH, Ökodesignrichtlinie, KrWG müssen sauber aufeinander abgestimmt und der Vollzug optimiert werden. „Wir müssen darüber diskutieren, wie wir den Rechtsrahmen optimieren, wie wir den Abfallbegriff handhabbarer fassen und wie wir alle in erfolgreiche Kooperation in den Kreislauf kommen können. Aber auch nach der Diskussion ins Machen übergehen und die Festlegung von Regeln einfordern. Lassen Sie uns gemeinsam ein gutes zirkuläres Industrieland gestalten!“

Dr. Christoph Epping (Minsisterialdirigent) erlätuterte die Zukunft des KrWG aus Sicht des BMUV. „Abfallrechtliche Regeln zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit werden auch weiter hochrelevant bleiben. Dennoch ist die Frage, ob wir im Abfallrecht die richtigen Kriterien haben, kontinuierlich zu überprüfen und Grenzwerte bei Bedarf anzupassen. Im eigenen Land brauchen wir eine bessere Abfallbewirtschaftung in den einzelnen Stoffströmen und einen optimierten Vollzug. Wir brauchen gutes Produktdesign, wir brauchen eine Änderung des Denkens. Der Staat muss seiner Vorbildfunktion nachkommen. Nachhaltige Beschaffung muss neu gedacht werden. Mehr Mehrweg, bessere Materialien sind erforderlich. Auf europäischer Ebene müssen wir so viel wie möglich erreichen, mit gutem Beispiel voran gehen und für ein Industrieland wie Deutschland so viel wie möglich erreichen. Die Kooperation von Umwelt- und Wirtschaftsministerium schreitet voran. Wir bewegen uns immer weniger im nationalen Kreislaufwirtschaftsrecht, immer mehr im Produktrecht, immer mehr auf europäischer Ebene und immer mehr in Kommunikation und Kooperation mit den Unternehmen.“

Der DGAW-Vorstand zeigte ich mit dem Verlauf der Veranstaltung sehr zufrieden. „Die Aktualität des Themas spiegelte sich in der um mehr als eine Stunde erweiterten Diskussionsrunde wider. Wir werden uns zu diesem Thema auch in Zukunft verstärkt in die politische Diskussion einbringen“, so Dr. Alexander Gosten zum Abschluss.

Präsentationen zum Download:

Dr. Alexander Gosten: Perspektiven und Herausforderungen für die Kreilaufwirtschaft sind auch Chancen

Prof. Dr. Kathrin Greiff: Nachhaltigkeitsbetrachtung der Kreislaufwirtschaft - Status quo und Perspektiven

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Rettenberger: Akademie der Kreislaufwirtschaft - Erste Ergebnisse