Jeder Abfallbesitzer ist für die Einschätzung der Gefährlichkeit seines Abfalls verantwortlich. Herausfordernd ist dabei die Beurteilung von Abfällen mit Spiegeleintrag, die sowohl als gefährlich als auch als nicht gefährlich eingestuft werden können. Entscheidend für die Einstufung sind allein dessen gefahrenrelevanten Eigenschaften.
Alle Stoffe und Verbindungen, die gefahrenrelevante Eigenschaften aufweisen können, sind in entsprechenden Rechtsvorschriften aufgeführt und es sind Grenzwerte festgelegt, z. B. in der CLP-Verordnung [1]. Bei Überschreitung eines Grenzwertes gilt der Abfall als gefährlicher Abfall.
Das allgemeine Vorgehen ist in Abbildung 1 dargestellt.
(DAS VOLLSTÄNDIGE PAPIER MIT DEN ENTSPRECHENDEN ABBILDUNGEN FINDEN SIE UNTEN BEIGEFÜGT.)
In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei der Bestimmung der gefährlichen Eigenschaften (siehe Umsetzung der in Abbildung 1 rot umrandeten Positionen) Erklärungsbedarf besteht. Vorliegendes Papier soll dazu eine Unterstützung geben und einen Beitrag leisten.
Für die Einstufung des Abfalls werden in der Regel die Ergebnisse einer Deklarationsanalyse (physikalisch-chemische Analyse auf vorgegebene Parameter) im Vergleich mit Grenzwerten herangezogen. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Fall 1: Die in den Rechtsvorschriften genannte gefährliche Verbindung ist analytisch auch als solche bestimmt worden (z. B. POP-Verordnung [3]). Überschreitet ein Analysenwert den entsprechenden Grenzwert, so ist der Abfall (automatisch) als gefährlich einzustufen.
Fall 2: Die in den Rechtsvorschriften genannte gefährliche Verbindung ist analytisch nicht bestimmt worden, sondern nur ein Ersatzparameter (z. B. der Gesamtgehalt eines Metalls, anstelle des gefährlichen Oxid- oder anderen Verbindungsanteils des Metalls). Ursache dafür sind oft fehlende genormte analytische Methoden zur Unterscheidung möglicher Verbindungen.
Beispiel: Wenn Kupferoxid die gefährliche Verbindung darstellt, dafür ein Grenzwert festgelegt, aber analytisch nur der Kupfer-Gesamtgehalt bestimmt wurde, bedeutet eine Überschreitung des Grenzwertes noch nicht, dass es sich um einen gefährlichen Abfall handelt. Dieser liegt nur dann vor, wenn das gesamte analysierte Kupfer auch als Kupferoxid vorläge. Dies lässt sich jedoch aus der Bestimmung des Kupfer-Gesamtgehalts nicht automatisch ableiten.
Wie ist nun für den Fall 2 eine Entscheidung herbeizuführen?
1. Jede Grenzwertüberschreitung eines Ersatzwertes ist ein ernstzunehmender Hinweis, dass es sich um einen gefährlichen Abfall handeln könnte. Es ist jedoch noch kein Beweis für diese Einstufung und darf daher nicht automatisch zu einer derartigen Einstufung führen.
Eine wichtige Zusatzinformation im Rahmen der Beurteilung hinsichtlich der Gefährlichkeit eines Abfalls sind die jeweiligen Eluatgehalte. Zeigen die Eluatgehalte keine Auffälligkeiten bzw. Grenzwertüberschreitungen [8], dann ist das ein starkes Indiz für die Ungefährlichkeit des jeweiligen Metalls- bzw. der Metallverbindung. Denn die Eluatgehalte erlauben eine Aussage zur Löslichkeit der im Feststoff vorliegenden Metallverbindungen. Vom Umweltbundesamt empfohlene ökotoxikologische Tests zur Charakterisierung der Gefährlichkeit von Abfällen [10] in wässriger Lösung unterstreichen die Bedeutsamkeit von Eluatuntersuchungen. Diese Zusatzinformation ist deshalb zwingend bei der Beurteilung der möglichen Gefährlichkeit zu berücksichtigen.
2. Nur wenn der Metallgehalt aufgrund des Anteils der gefährlichen Verbindungen den Grenzwert übersteigt, liegt ein gefährlicher Abfall vor. Deshalb werden entweder Zusatzinformationen über die Art und den Anteil der vorliegenden Verbindungen bzw. Erkenntnisse, dass die gefährlichen Verbindungen nicht vorliegen können, benötigt. Dies kann entweder aufwändig analytisch ermittelt werden (2.1) oder mit Sachverstand abgeschätzt bzw. ausgeschlossen werden (2.2), z. B. aus Betrachtungen, welche Verbindungen aufgrund der Herkunft und den Entstehungsbedingungen des Abfalls möglich sind und welchen Anteil diese Verbindungen am Gesamtgehalt des Metallelements besitzen.
2.1 Für einige regelmäßig und in größeren Mengen anfallende, gleichartige Abfallströme wurden bereits umfangreiche Studien und Gutachten zur Bestimmung des Anteils möglicher gefährlichen Verbindungen durchgeführt (z. B. LSA Schlacke [4]). Mit Hilfe dieser Ergebnisse kann die in den Rechtsvorschriften zu überwachende „gefährliche Metallverbindung“ berechnet werden. Dies stellt die Korrektur des ursprünglich analysierten Gesamtgehaltes dar, indem nur der Anteil der gefährlichen Verbindung berücksichtigt wird und anschließend die stöchiometrische Korrektur von Schwermetallverbindung zum gefährlichen Gehalt des Schwermetallelements erfolgt (siehe Beispielrechnung Tab. 1).
Beispielrechnung [5]:
Im Labor wurden in einem speziellen Abfall 4.680 mg/kg Nickel (Ni) analysiert. Die als gefährlich eingestufte Verbindung ist Nickeloxid (NiO). Der NiO-Anteil der Verbindung am gesamten Ni-Anteil dieses Abfalls soll aus vorangegangenen zusätzlichen Untersuchungen bekannt sein und 20 % betragen.
Tabelle 1: Beispielrechnung
(DAS VOLLSTÄNDIGE PAPIER MIT DEN ENTSPRECHENDEN ABBILDUNGEN/ TABELLEN FINDEN SIE UNTEN BEIGEFÜGT.)
Somit entspricht der gemessene Gesamtgehalt von 4.680 mg/kg Nickel aufgrund der Zusatzinformationen 1.189 mg/kg Nickeloxid. Der Gehalt an Nickeloxid (1.189 mg/kg) ist nunmehr mit dem Grenzwert zu vergleichen.
Anmerkung:
Bei Abfällen, die mehrere als gefährlich eingestufte Stoffe enthalten, denen die Gefahrenhinweise H410, H411 oder H412 zugeordnet sind (z. B. die entsprechenden Verbindungen der Metalle Blei, Kupfer, Selen, Zink und Silber [8, Tabelle 1]), sind in einer gewichtenden Summe, bezogen auf die Originalsubstanz (nicht Trockensubstanz wie in der Regel im Laborprüfbericht angegeben) zu berücksichtigen. Diese ist mit dem Grenzwert, z. B. 25 %, zu vergleichen (Gleichung 1). Dabei werden die Metalle je nach Gefährlichkeit gewichtet und es gibt zudem einen Berücksichtigungsgrenzwert.
D. h. nur, wenn dieser überschritten ist, erfolgt die Berücksichtigung. Die Metallkonzentrationen der Gefahrenklasse H410 erhalten in diesem Beispiel den Faktor 100, die der H411 den Faktor 10 und die H412 den Faktor 1.
Die bloße Summation aller Metallgehalte oder die Summation ohne Gewichtung ist falsch. Entsprechende Berechnungsformeln finden sich in [12, Anhang III].
100∙∑c (H410) + 10∙∑c (H411) + ∑c (H412) ≥ 25% (1)
2.2 Für spezifische Abfallarten, die nicht aus wiederkehrenden gleichartigen Prozessen resultieren, kann diese aufwändige zusätzliche analytische Vorgehensweise, wie unter 2.1 geschildert, nicht angewandt werden. Hier sind mit chemischem Sachverstand aufgrund der Herkunft und seiner Entstehungsbedingungen Aussagen zum möglichen Vorhandensein gefährlicher Verbindungen abzuleiten. Zur Absicherung der ökotoxischen Bewertungen (HP14-Kriterium) können zusätzlich die Metallgehalte der bewährten klassischen wässrigen S4-Eluate dienen, für die es Richtwerte u. a. in der DepV [6] oder LAGA M 20 [7] gibt. Die Ermittlung der Gefährlichkeit eines Abfalls ist nach Fall 2 deutlich anspruchsvoller als nach Fall 1. Andererseits ist eine automatische Übertragung der Bewertungsweise von Fall 1 ohne Kenntnis und Berücksichtigung der Anteile der gefährlichen Verbindungen auf Fall 2 falsch. Dem Abfallbesitzer ist stets die Möglichkeit einzuräumen, zweckdienliche Zusatzinformationen zur Verfügung zu stellen.
Die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Abfalls auf Basis geltender Rechtsvorschriften ist, auch aufgrund der darin enthaltenden zahlreichen Weiterverweisen auf andere umfangreiche Dokumente nicht einfach nachzuvollziehen. Es kann daher nicht erwartet werden, dass jeder Abfallbesitzer oder behördliche Entscheidungsträger auf dieser Basis eine korrekte Entscheidung herbeiführen kann. In NRW wurde daher zur Unterstützung der sogenannte Hazard-Check entwickelt. Hier sind zahlreiche Grenzwertlisten, auch aus der CLP-Verordnung [1], hinterlegt. Wenn die gefährlichen Verbindungen nicht bekannt sind, wird im Hazard-Check als worst-case der Grenzwert für die gefährlichste Verbindung (= niedrigster Grenzwert) ohne stöchiometrische Umrechnung auf die Verbindung für die Beurteilung herangezogen. Da nur die mengenmäßig relevanten Abfälle in der ABANDA-Datenbank eingegangen sind, ist die Beurteilung für andere Abfallarten nur eingeschränkt aussagekräftig.
Da offensichtlich nicht nur die Abfallbesitzer mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden sind wurden zur besseren Verständlichkeit und Unterstützung des behördlichen Bewertungsprozesses unterstützende Dokumente erarbeitet [8] und [9], die bei Informationsdefiziten über die stoffliche Zusammensetzung anwendbar sind. In [8] sind Grenzwertlisten für Metallgehalte im Feststoff und Eluat enthalten.
Um das Risiko für Fehlentscheidungen sowohl für die Umwelt und Wirtschaft zu minimieren, ist nur das hier für Fall 2 mit den aufgeführten Beispielen (Fallunterscheidungen) geschilderte Vorgehen im besonderen Maße für die Bewertung der gefährlichen Metallgehalte geeignet.
Besonders in Hinblick auf die Ressourcenschonung muss der Risikominimierung für Fehlentscheidungen für die massenmäßig recht beachtlichen Abfallmengen in Deutschland eine stärkere Bedeutung beigemessen werden. Abfallverwertung, auch durch die Nutzung möglichst aller Inhaltstoffe, rückt dadurch mehr in den Fokus. Die Verwertungsfähigkeit darf durch eine falsche Einstufung nicht blockiert werden. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit von Abfällen muss in Zukunft eine hohe Sicherheit sowohl für Entscheider als auch für Abfallbesitzer erreicht werden. Ein transparentes und vereinfachtes Handling für die sachgerechte Einstufung von Abfällen muss hierbei ein gemeinsames Ziel sein.
Die DGAW empfiehlt, bei der Überschreitung von Metallgrenzwerten Abfallbesitzer durch die kontrollierende Behörde aktiv aufzufordern bzw. darauf hinzuweisen, entsprechende Zusatzinformationen zu ihrem Abfall zu liefern. Nur wenn dies nicht erfolgt oder nicht möglich ist, wäre das worst case-Szenario nach dem Hazard-Check akzeptabel.
Das vorliegende Papier des Arbeitskreises Analytik des DGAW e. V. ist der Versuch, die komplexe Herausforderung bei der Ermittlung der Gefährlichkeit von Abfällen, einfach und verständlich für Nichtjuristen und Nichtgutachter darzulegen und einige Anregungen für zukünftige Entwicklungen zu geben.
Anregungen:
- Da die Gefährlichkeit des Abfalls von der summarischen Wirkung seiner Inhaltsstoffe auf die Umwelt ausgeht, könnte diese mittels ökotoxikologischer Tests überzeugender ermittelt werden. Die DGAW appelliert an die Politik und Wissenschaft, ähnlich wie bei der Wasser- und Abwasseranalytik bereits lange etabliert, ökotoxikologische Tests für Abfälle anstelle der derzeitigen Bestimmung von Einzelsubstanzen zu entwickeln, zu normen und mit Grenzwerten zu belegen. Allgemeine Ökotoxizitätstests sind in [10] veröffentlicht.
- Da die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Abfalls nur durch die Bestimmung des Schwermetallgehaltes allein nicht möglich ist, sollten auch andere, bereits zur Verfügung stehende analytische Zusatzinformationen einer Abfallart gesammelt und gezielt mit modernen Methoden der Datenanalyse ausgewertet werden. So könnte beispielsweise das Schwermetall- und Kationenmuster der chemischen Analysendaten typische Gruppierungen zeigen, die für eine Klassifikation benutzt werden können. So wie die Dioxinmuster der Kongenere bereits für die Klassifizierung und Ermittlung von Verursachern dienen [11], kann dieses auch auf die Abfallbeurteilung übertragen werden. Die DGAW kann dies allein nicht leisten, aber Politik und Wissenschaft anregen, die gegenwärtigen eindimensionale Modelle durch mehrdimensionale Modelle mit höherem Informationsgehalt zu ersetzen und mittels datenanalytischen Methoden auszuwerten.
- Abfälle für die Ergebnisse aus speziellen umfangreichen analytischen Untersuchungen zu möglichen Metallverbindungen vorliegen, sollten in einer Datenbank erfasst und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
Das vollständige Positionspapier mit Literaturverzeichnis haben wir Ihnen außerdem hier als PDF beigefügt.
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